Test: Coleman Avior X2

Coleman Avior X2

Einige Male stand ich schon kurz davor zuzuschlagen. Soll ich? Soll ich nicht? Soll ich? Die Kauflust konnte schließlich obsiegen und so bin ich stolzer Besitzer eines Coleman Avior X² geworden.

Art & Ausstattung

Bei dem Zelt handelt es sich auf den ersten Blick schlicht um ein Tunnelzelt und zwar um ein recht kleines. Zwei Leute sollen da reinpassen? Da ist Coleman doch sehr optimistisch.
Auf den zweiten Blick handelt es sich… natürlich noch immer um eine Tunnelzelt, aber um eins mit einem sehr eigenständigen Design. Und gerade das hat mich zum Kauf angeregt. Während der vordere Bogen des Zeltes für eine knappe Sitzhöhe sorgt, ist der hintere sehr kurz ausgeführt und sorgt damit für ein rasches Abfallen des Zelthimmels und ein gedrungenes Design. Wer im Avior also sitzen kann, kann dies wahrscheinlich nur an höchster Stelle.

Zwischen den beiden Gestängebögen befindet sich einer von zwei Eingängen – und zwar ein riesiger, der sich praktisch über die gesamte Länge zwischen den Bögen erstreckt. Zum Rausschauen macht er riesig Spaß, formt aber an dieser Stelle keine Apsis. Das heißt, der Platz zwischen Innen- und Außenzelt kann für Schuhe genutzt werden, mehr passt nicht hin. Macht aber nichts, denn an der Front befindet sich ein zweiter Eingang und die dortige Apsis bietet ausreichend Platz fürs Sologepäck. Eine Besonderheit für ein Zelt dieser Klasse stellt der mit einem Reißverschluss abnehmbare Boden der Apsis dar. Er kann helfen die Kondenswasserbildung zu verringern und gleichzeitig die Ausrüstung trockener zu halten. Apropos Kondenswasser: Zwei eher kleine Lüfter und ein hochgezogenes Außenzelt sollen im Coleman für gutes Klima sorgen. Klappt einigermaßen, könnte aber besser klappen. Ein Lüfter befindet sich oben links an der Apsis, ein weiterer direkt hinter dem kleinen Gestängebogen unter der hinteren Sturmabspannung. Komplett zu verschließen sind beide nicht.
Der Himmel des Innenzeltes ist gänzlich aus Moskitonetz gefertigt. Das sorgt zwar für eine gute Luftzirkulation, aber ich mag es weniger, weil dieser Löcherstoff nun einmal keinen Schutz vor herunter tropfendem Kondenswasser bietet. Aber gut, bislang gab es damit auch weniger Probleme. Nahe am Boden beim vorderen Gestängekanal gibt es noch ein nettes Gimmick. Über einen kleinen Seilzug kann man die Belüftung im Innenzelt verbessern, indem man das dort abgedeckte Moskitonetz von seiner Abdeckung befreit. Der Nutzen? Eher gering.

Ungewöhnlich ist die Verstaumöglichkeit der Innenzelttür (zur Apsis) im geöffneten Zustand. Hierfür bietet das Avior X2 eine riesige, vertikal geöffnete Tasche, in die die Tür reingeschoben und mit Ring und Knubbel verschlossen wird. Geht gut. Am vorderen Gestängebogen finden sich ein Haken und zwei Kordeln, um eine Lampe oder dergleichen daran zu befestigen. Auch über Taschen verfügt das gute Stück. Wenn man die Türtaschen außer acht lässt, kann man sein Zeug in vier Taschen verstauen, zwei großen und zwei kleinen.

Der Aufbau

Um in den Genuss dieses schönes Zeltes zu kommen, muss man es natürlich erst einmal aufbauen. Das geht denkbar einfach und schnell: Das Zelt an einer Stirnseite mit zwei Heringen sichern, die Gestängebögen zusammensetzen und in die einseitig geschlossenen Kanäle schieben. Zur noch nicht mit Heringen gesicherten Seite gehen, das Zelt packen, etwas hochheben und entgegen den Sicherungsheringen auseinanderziehen. Steht es straff, setzt man auch an dieser Seite zwei Heringe. Voila: das Zelt steht. Steht eher… es geht so. Die beiden Gestängebögen haben schon einen großen Abstand voneinander, was ein Durchhängen des Zeltstoffs bewirkt. Mit den Sturmabspannungen kann und sollte man dagegenarbeiten und das Zelt komplett abspannen, nachdem man die Gestängebögen mit Hilfe der Gurte unter Spannung gesetzt hat.

Der Aufbau ist wirklich kinderleicht und in kürzester Zeit erledigt. Ziemlich tunneltypisch ist, dass das Innenzelt bereits im Außenzelt eingehängt ist. Beim Aufbau im Regen kann man es somit schaffen ein trockenes Innenzelt zu behalten. Ein Nachteil: bei gutem Wetter kann man das Innenzelt nicht solo aufstellen. Aber angesichts der großen Türen kann man auch so für eine prima Lüftung sorgen.

Das Leben im Zelt

Wie bereits erwähnt, für zwei Personen ist das Zelt nix. Höchstens im Notfall würde ich einen zweiten Schläfer neben mir dulden, aber mit Bewegungsfreiheit oder gar Komfort hat das dann rein gar nichts mehr zu tun. Überhaupt geht es im Avior eher beengt zu. Solo ist es zwar eigentlich schön breit und überhaupt auch angenehm lang geschnitten, aber der Innenzeltstoff hängt doch etwas durch und schränkt das Raumgefühl weiter ein. Auch die Kopffreiheit lässt zu wünschen übrig. Sitzen geht mit meinen 182cm irgendwie, aber auch nur unter dem vorderen Gestängebogen. Sehr bequem ist es allerdings auch dort nicht.
Vom Platz/Raumgefühl einmal abgesehen ist das Leben im Zelt aber angenehm. Bei gutem Wetter lässt es sich sehr gut durchlüften (zwei Eingänge, wobei der Apsiseingang sogar recht regengeschützt ist) und natürlich bietet das Zelt schöne Ausblicke. Schließlich ist es ja quasi ein Längs- und auch gleichzeitig ein Querschläfer: auf dem Bauch liegend schaut man vorne raus, auf der Seite liegend zur Seite.
Die Apsis bietet ausreichend Platz für eine Person und deren Rad- oder Rucksackgepäck, bei zwei Leuten wird es auch hier zu eng. Kochen in der Apsis? Hmm. Würde ich nicht, aber mit größter Vorsicht mag es möglich sein.

Das Avior schwankt irgendwo zwischen einem Komfortzelt (schöne Ausstattung) und einem unauffälligen Trekkingzelt (kompakt, vor allem zu Schlafen gedacht).

Technisches

Für ein Solotrekkingzelt finde ich das Gewicht von kompletten 2299g (ohne Heringe) etwas hoch. Da das Avior mindestens 4, maximal 15 Heringe benötigt, sind grobe 2450g ein reeles Einsatzgewicht.
Sicher kann man das auch solo auf dem Rücken tragen, aber es gibt mittlerweile doch wahrlich leichtere und dabei durchaus geräumigere Alternativen, die gar nicht mal (viel) teurer sein müssen.
Das Gewichtsproblem liegt beim Avior X2 eindeutig nicht beim Gestänge. Das bringt inkl. Aufbewahrungssack gerade einmal 340g auf die Waage. Knappe 2Kg entfallen also auf Innen- und Außenzelt und sind zumindest teilweise manchen „Spielereien“ geschuldet. Rund 90g spart zum Beispiel ein, wer die durchaus nützliche Apsisabdeckung daheim lässt.

Richtig toll ist hingegen das Packmaß. Coleman hat ‚mir‘ den Gefallen getan und für eine extrakurze Gestängeeinteilung gesorgt. Das Gestänge misst lediglich 32cm und passt somit fast schon in die Hosentasche. Das Zelt lässt sich auf ~35x18cm verpacken, was echt nicht schlecht ist! Etwas… ungeschickt ist allerdings der Packsack konstruiert. Zwar lässt sich das Zelt wunderbar einfach verpacken (der Zugang zum Packsack erfolgt nicht über die kleine Seite, sondern über eine große Öffnung an der „Oberseite“, wie auch bei Zelten von Exped), aber der Sack ist einfach zu groß, um das verpackte Zelt so aufzunehmen, dass es in ihm nicht auffleddert. Eigentlich sind dafür ja Kompressionsriemen am Sack angebracht, aber zum Komprimieren eignen sie sich nun gar nicht. Zieht man sie vollends straff, befindet sich der Packsack noch in seiner Ausgangsgröße. Hier sollte Coleman nachbessern.

Fazit

Das Coleman Avior X2 ist in erster Linie ein gemütliches 1-Peronenzelt für drei Jahreszeiten. Zum Schlafen und für die Ausrüstung bietet es solo viel Platz und Komfort, allerdings eine eingeschränkte Sitzmöglichkeit und ein schlechtes Raumgefühl. Die schönen Details erkauft man sich mit einem recht stattlichen Gewicht. Das Packmaß wiederum ist sehr gut. Am besten eignet sich das Avior meiner Einschätzung nach für Radreisende. Hier spielt das Gewicht eine weniger große Rolle und das geringe Packmaß lässt das Zelt einfach in einer Vordertasche verschwinden. Das Zelt, vielmehr die Apsis, hat mit dem Radgepäck keinerlei Probleme und so muss man sich einzig mit dem Innenzeltvolumen anfreunden. Für preisbewusste Trekker ist das Avior zwar auch interessant, allerdings würde ich mich wohl nach leichteren Alternativen umschauen.

Ich mag das Zelt trotz der kleineren Nachteile echt gern.

Und mein Prädikat?

Empfehlenswert

In aller Kürze

+ günstig
+ gute Materialien & Verarbeitung
+ geringe Standfläche
+ sehr einfacher und schneller Aufbau
+ nette Details
+ variable Ausgänge

– für die Größe: hohes Gewicht
– Innenzeltwände könnten straffer sein
– schlechtes Raumgefühl und eingeschränkte Sitzmöglichkeit
– für zwei zu klein

Würde ich mir das Zelt nochmal kaufen?

Der Kauf des Zelts hat sich gelohnt, da ich es zum knallhart kalkulierten Angebotspreis bekommen habe (~70€). Für die UVP würde ich es mir nicht kaufen, sondern wenige € mehr in mehr Platz oder ein geringeres Gewicht investieren.

Ein Gedanke zu „Test: Coleman Avior X2

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