Test: Hilleberg Nammatj 3 GT

Hilleberg Nammatj 3 GT

Der Sturmpalast

Vor gut einem Jahr bin ich zu einem unglaublich guten Preis an ein Hilleberg Nammatj 3 GT herangekommen. Im Außenzelt hatte es ein paar wenige und nur sehr kleine Löcher und zwei kleine Risse von vielleicht einem bis zwei Zentimetern Länge – ansonsten befand es sich quasi im Neuzustand. Und der Preis, wollt ihr ihn wissen? Inkl. Versand habe ich das Zelt für freundliche 210€… geschenkt bekommen!
Der erste Aufbau meiner → Schwedin fand in unserer Wohnung statt, die für diesen Zweck denn aber doch sehr wenig Platz bietet. Zur Begutachtung hats aber gelangt. Bald fand ich die beiden Risse, die Löcher aber (von denen ich bis dato noch nichts wusste) fand ich erst bei der ersten Tour. Solche Risse im Silnylon zu flicken ist ziemlich banal, in der Regel langt es eigentlich schon sie mit Sil Net zu verkleben. Da ich aber noch etwas rotes Silnylon vom Nähen über und dies auch quasi die gleiche Farbe hatte, habe ich mir aus diesem Reparaturflicken zurechtgeschnitten und mittels Sil Net außen aufgeklebt. Nach der Trocknung hat auch auch die Innenseite noch etwas Sil Net abbekommen, aber keinen Flicken mehr. Zuguterletzt ist es nach der kompletten Trocknung sinnvoll die Klebestelle mit Talkum zu bestäuben, damit sie nicht noch irgendo anders anheften kann. Solch eine Reparatur geht ziemlich schnell und einfach von der Hand, nur die Aushärtung des Silikons dauert einige Stunden.

Die Bauart & der Aufbau

Beim Nammatj 3 GT handelt es sich um ein extrem solides, klassisches Tunnelzelt mit Platz für 2-3 Personen. Das „GT“ deutet auf eine verlängerte Apsis und somit auf einen dritten Bogen hin. Ebenfalls erhältlich ist das Nammatj als 2er GT und 2er und 3er Variante ohne GT, also ohne dritten Gestängebogen und „normaler“, kürzerer Apsis. Allen vieren gemein sind die 10mm starken DAC Featherlight NSL Gestängebögen und das Keron 1800 Außenzeltmaterial mit abartig hoher Weiterreißfestigkeit. Auf Wunsch gibt’s das Zelt in einem waldmännischen Grün oder einem knalligen Rot, welches das Wiederfinden in der Natur erleichtert (und super aussieht). Eine Sonderauflage in „Sand“ gibt es aus Hamburg.
Der Aufbau des Nammatj ist extrem simpel, nicht nur, aber auch weil das Innenzelt schon eingehängt (aber natürlich auch herausnehmbar & mit Sonderzubehör solo stehend) ist. Eine Seite des Zeltes wird mit zwei Heringen fixiert, die Gestänge werden vorsichtig durch die einseitig geschlossenen Gestängekanäle geschoben, was sehr flutschig von statten geht, und auf der anderen Seite (auf der man sie hineinschiebt) in großen Kunststoffbechern verstaut. Becher und Kanäle sind übrigens großzügig genug dimensioniert, um noch einen

Hilleberg Nammatj 3GT

Gestängebecher des Hilleberg Nammatj 3GT

zweiten Satz Gestänge zu verwenden, damit wird die Windstabilität nochmals erhöht. Ist das nun erledigt, schnappt man sich zwei weitere Heringe, geht zu dem Ende des Zeltes, welches noch nicht fixiert ist, greift die Heringsschlaufen, zieht mit ihnen das Zelt etwas hoch und ziehharmonikamäßig auseinander und fixiert es nun auch auf dieser Seite mit den Heringen. Jetzt steht das Zelt schon, sollte aber an den dafür vorgesehenen Punkten noch nachgespannt und mit den Sturmleinen abgespannt werden. Sehr beeindruckend sind die Abspannpunkte am Zelt, die zur Not auch mal Taue fassen und an Sicherheitsgurte erinnern, so groß sind sie. Sehr beeindruckend sind ebenfalls die von innen bedienbaren, sehr großen und gar nicht, komplett oder nur mit Moskitonetz zu verschließenden Lüfter an Kopf und Fußende. An dieser Stelle eine kleine Kritik: die Lüfterreißverschlüsse, an die ich mir zusätzliche Kordeln zur besseren Bedienbarkeit drangebaut habe, könnten leichtgängiger sein.

Die per Kordel zugentlastete Außenzelttür verläuft oben im Bogen und wird mit einem Zweiwegereißverschluss bedient, womit sie mannigfaltig zu öffnen ist. Prima ist die komplett herausnehmbare und ggf. in einer extra Tasche am Eingang zu verstauende Moskitonetztür. Sehr gut hat Hilleberg die Türbefestigung bei geöffneter Tür gelöst: sie wird einfach zusammengerollt und mit zweier Klippsen am Gestängekanal befestigt. Ist die Tür geöffnet, hat man einen freien Blick in die sehr schön größe Apsis, in der man locker alles Mögliche an Gepäck verstauen oder gemütlich sitzen kann. Das Innenzelt bietet ebenfalls einen sehr großzügigen Platz für zwei Leute und einen akzeptablen für drei. Hier kommt es nun vor allem auf die Jahreszeit an, zu der man unterwegs ist. Mit fettem Wintergepäck kann der Platz für drei schonmal schnell knapp werden, hier empfehle ich eine Zweimann/fraubesatzung.

Über das abdeckbaren Moskitzonetz an der Innenzelttür und am Fußende kann das Innenzelt gut belüftet werden, ist aber in erster Linie ein auf komprimisslosen Wetterschutz ausgerichtetes Zelt für alle vier Jahreszeiten – im Sommer mag ein luftigeres Zelt sicher seine Vorteile besitzen. Das Außenzelt ist bis zum Boden heruntergezogen und so erfolgt die Lüftung praktisch ausschließlich über die großzügigen Lüfter und/oder über die (teilweise) geöffnete Tür. Das Außenzelt der meisten anderen Zelte schließt zumindest teilweise nicht komplett mit dem Boden ab, was für eine bessere Lüftug sorgt, bei schlechtem Wetter und vor allem im Winter aber von Nachteil ist.

Komfort & Wetterschutz

Die großzügigen Räume habe ich bereits angesprochen. Sowohl die Apsis, also auch das Innenzelt fallen sehr ordentlich aus und laden fast zum Tanzen ein. Etwas schlechter ist, trotz steiler Seitenwände, das Raumgefühl. In der Apsis wie im Innenzelt fällt das Zeltende alsbald tunneltypisch ab und reduziert hier die Kopffreiheit natürlich stark. Das Sitzen ist nur jeweils zwischen den Gestängebögen möglich, wo es dafür natürlich auch ausreichend Platz gibt. Eine Konstruktion wie die des Keron mit Sitzhöhe im gesamten Innenzelt, ist diesbezüglich überlegen, allerdings bringt sie auch ein deutliches Übergewicht und eine vergrößerte Stellfläche mit sich. Als nachteilig mag ich die Nammatjkonstruktion also nicht bezeichnen. Dennoch wäre den Zeltinsassen sehr geholfen, wenn Hilleberg das Innen- und somit das ganze Zelt 10-20cm länger geschnitten hätte, denn durch eben jene abfallende Konstruktion verkleinert sich auch die Liegelänge und die Neigung mit dem Schlafsack das kondenswasserfeuchte Außenzelt zu berühren. Je nach Schlafsack sollte der Schläfer wohl nicht unbedingt über 185cm groß sein.

Für den gebotenen Komfort tut Hilleberg das Nötigste: eine Wäscheleine innen und zwei Innenzelttaschen, von denen die eine gleichzeitig als Tasche für die Innenzelttür dient. Der übrige Komfort entstammt eher der konstruktiven Simplizität und gut gelöster Details denn einer umfangreichen Ausstattung. So kommt es nicht wie manch anderes Zelt dieser Klasse mit 2-3 Eingängen daher, besitzt keine weiteren Ablagen im Innen- oder Außenzelt, kein Gearloft etc. Alles in Allem ist das Nammatj eher schlicht, aber sehr funktional.

Hilleberg Nammatj 3GT

Blick in die Apsis.

Bislang habe ich die Schwedin zu jeder Jahreszeit und jedem Wetter eingesetzt, aber noch nicht das Glück von wirklich kräftigem Wind gehabt. Naja, von daher hat sich das Zelt wohl eher gelangweilt. Immerhin war langanhaltender, heftiger Regen dabei und halbwegs brauchbarer Wind denn auch. Eine gute Nachricht: die nicht extra gedichteten Nähte haben allesamt dicht gehalten und ich habe keinen Tropfen Wasser durchkommen sehen. Dank des tief heruntergezogen Außenzeltes und des schön dichten Innenzeltes, bekommt man vom aufkommenden Wind rein physisch nix mit.

Mit Kondenwasser hatten wir noch keine Probleme. Klar, natürlich bleibt auch die Schwedin nicht völlig trocken, aber die Lüftung funktioniert gut genug, um es drinnen möglichst trocken zu halten. Dabei benutze ich nicht das original Footprint, welches auch die Apsis abdeckt, sondern eine normale Baumarktplane. Bin ich mit dem Rad unterwegs, so kommt meist noch die Exped Doublemate mit und deckt Nachts einen Teil der Apsis ab und verhindert somit weitestgehend ein Aufsteigen der Bodenfeuchte. Nebenbei hat man bei nassem Boden praktischerweise auch einen trockenen und warmen Ort zum Sitzen, Packen etc.

Bei schlechtem Wetter, das heißt bei/nach einem Regen- oder Schneefall, sollte man, möchte man das Zelt verlassen oder betreten, es am Eingang ggf. kurz abklopfen, um zu vermeiden, dass Wasser/Schnee in das Außenzelt fällt. Das Innenzelt bleibt in einem solchen Fall natürlich trocken, aber die Apsis und vor allem die u.U. ausgelegte Unterlage nicht.

Weiteres

Zubehör: Sehr lobenswert ist das sinnvolle Zubehör. Zwar wäre ein Reparaturset für die verschiedenen Gewebe nicht übel gewesen, aber dafür wird neben einer Reparaturhülse sogar ein Ersatzsegment mitgeliefert. Die 22 beigepackten Heringe sehen zwar ultrarobust aus, sind aber nur gutes Mittelmaß. Die 8 langen Abspannleinen besitzen sehr gute Spanner.

Gewicht & Packmaß: Schön kompakt wird das Zelt, wenn man das Gestänge und die Heringe auslagert und den Rest im Packsack einfach zusammendrückt und komprimiert. Von ~50x21cm bleiben dann rund 30×25 übrig. Die Schwedin passt somit locker quer in meinen Gregory Palisade 80 hinein. Das Komplettgewicht meines Nammatj 3 GT liegt bei 3550g ohne Heringe, aber mit Packsäcken und dem Ersatzgestängesegment. Ultraleicht ist das natürlich nicht, aber zu zweit trägt ein jeder dennoch keine 2Kg, schleppt dafür aber auch ein sehr robustes Zelt für jedes Wetter mit sich herum. Wer es lieber leichter mag, der greift zur weniger komfortablen und robusten, also abgespeckten Version, dem Nallo. Das Keron ist dem Nammatj recht ähnlich, besitzt aber das angesprochene, geräumigere Innenzelt mit mehr Kopffreiheit und eine zweite Apsis. Dafür ist es aber auch insgesamt länger, was u.U. zu Stellplatzproblemen führen könnte. Zuletzt ist das Kaitum wiederum die abgespeckte Version des Keron. Jedes dieser Zelte hat seine Vor- aber auch seine Nachteile, aber alle liegen auf einem sehr hohen Niveau und sind allgemein Zelte, die einem für viele Jahre Freude bereiten können und bei Wind und Wetter schützen. Wäre ich nicht für solch einen günstigen Preis an meine Schwedin rangekommen, ich wäre nicht sicher, für welche Version ich mich entschieden hätte. Nammatj, Kaitum und Keron würden sich wohl ein Kopf an Kopf-Rennen geliefert haben – oder auch nicht, denn der Preis ist zwar durchaus gerechtfertigt, aber dennoch happig und für ein Zelt mal ganz spontan 800 oder mehr Euro über den Ladentisch zu schieben… das ist schon was.

Wer ein Zelt für fast alle Gelegenheiten sucht, aber nicht auf ein Ultraleichtes angewiesen ist, der sollte sich

Hilleberg Nammatj 3GT & Exped SIMlight 3,8

Ein Blick in das Schlafgemach. Drinnen: eine Exped SIMlight 3,8.

das Nammatj 3 GT wirklich mal genauer anschauen. Es ist jetzt nich so, als führe an ihm kein Weg vorbei: Alternativen gibt es z.B. die angesprochenen aus dem eigenen Hause, aber auch durchaus anderswo. Insgesamt kommt meine Schwedin meiner persönlichen Eierlegendenwollmilchsau aber schon sehr nahe.

Was mir noch aufgefallen ist: jedes meiner anderen Zelte behandle ich tendenziell mit großer Vorsicht. Zwar habe ich gelernt, dass auch ein Hubba Hubba HP nicht vom Anblick allein zu Staub zerfällt, sondern sehr robust ist und mit anderen ist es ähnlich. Dennoch geht mir das bei der Schwedin anders und ich behandle sie so, wie ich… äääh… sie grad behandle. Nicht urwüchsig ruppig, aber das Gefühl, dass ich mit ihr sehr sorgsam umgehen müsste, hab ich nicht.

Und mein Prädikat?

Sehr empfehlenswert plus

In aller Kürze

+ sehr hoher Wetterschutz
+ tolle Allroundeigenschaften
+ sehr hochwertige Materialien
+ einfache und gute Konstruktion, prima Details
+ sehr gute Verarbeitung
+ lange Lebensdauer
+ vorbereitet für zweiten Gestängesatz
+ gutes Packmaß

+/- für das Gebotene relativ leicht

– hakelige Lüfterreißverschlüsse
– Innenzelt könnte mehr Fußfreiheit bieten

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